Experteninterview mit Hebamme Martina Hanika
CULUMNATURA: Liebe Martina, viele Eltern hören die Begriffe „Gneis“ und „Milchschorf“ – was genau steckt dahinter und worin unterscheiden sich die beiden?

Martina Hanika: Gneis und Milchschorf werden im Alltag oft miteinander verwechselt, obwohl es sich um zwei, in Bezug auf Ursache und Alter des Kindes, unterschiedliche Erscheinungen handelt. Gneis tritt in der Regel schon in den ersten Tagen oder Lebenswochen auf. Er zeigt sich als gelblich-weißliche, fettige Schuppenschicht auf der Kopfhaut, in den Augenbrauen oder hinter den Ohren. Die weichen Schuppen haften stark, jedoch werden sie vom Baby in der Regel nicht bemerkt. Gneis ist harmlos. Die Talgdrüsen, die in dieser Phase sehr aktiv sind, und die hormonelle Umstellung nach der Geburt sind mitverantwortlich für diese Erscheinung. Milchschorf hingegen tritt später auf, meist ab dem 3. Monat oder darüber hinaus. Die betroffenen Stellen sind oft gerötet, trocken und teilweise entzündet, die Schuppen krustig und hart. Im Gegensatz zu Gneis juckt Milchschorf häufig und Babys reagieren oft mit Unruhe oder Gereiztheit. Er wird meistens als erste sichtbare Erscheinung einer atopischen Veranlagung gesehen und kann ein Hinweis auf eine empfindliche Hautbarriere und ein unausgeglichenes Immunsystem sein. Beide Erscheinungen brauchen jedenfalls Zeit, Aufmerksamkeit und vor allem eines: eine sanfte, liebevolle Pflege ohne aggressive Produkte.
CULUMNATURA: Wie häufig treten diese Erscheinungen bei Babys auf – und ab wann bemerken Eltern sie typischerweise?
Martina Hanika: Aus der Praxis weiß ich, dass Neugeborene meist schon in den ersten Tagen bis einige Wochen nach der Geburt erste Erscheinungen von Gneis zeigen – immer unterschiedlich hinsichtlich Ausprägung und Häufigkeit. Der Kopfgneis geht meist bis zur Haargrenze und kann wenige Wochen bis Jahre bestehen bleiben. Eltern bemerken die Schuppenbildung, je nach Haarwuchs, zuerst am Kopf oder in den Augenbrauen. Beim Milchschorf geht die Schuppenbildung meist über die Haargrenze hinaus und kann auch an anderen Körperstellen, wie Armen und Beinen, auftreten. Die Kinder sind oft sehr unruhig und kratzen aufgrund von Juckreiz an den betroffenen Körperstellen.
CULUMNATURA: Gibt es bekannte Ursachen oder begünstigende Faktoren für Gneis oder Milchschorf?
Martina Hanika: Die genauen Ursachen sind noch unvollständig geklärt. Vermutet werden genetische Veranlagungen, wie Neurodermitis oder Allergien bei den Eltern, Hautreizungen durch äußere Einflüsse oder auch trockene, kalte Luft. Bei Stillbabys entwickelt sich seltener ein Milchschorf.
CULUMNATURA: Hat dieser Hautzustand vielleicht sogar eine „Funktion“ im natürlichen Entwicklungsprozess eines Säuglings?
Martina Hanika: Generell haben Hautveränderungen beim Neugeborenen eine Funktion, nämlich die der Anpassung vom Fruchtwasser zur trockenen Außenwelt und des Abbaus mütterlicher Hormone. Angefangen bei der Käseschmiere, die eine Schutzschicht darstellt, über trockene, schuppige Haut, Neugeborenenexanthem, Neugeborenenakne oder viele andere. Gneis oder Milchschorf haben keine Schutzfunktion, wie etwa die Käseschmiere, sondern sind Hautveränderungen, die beobachtet gehören. Die Haut ist ein sehr sensibles Organ und auch die kleinsten Hautveränderungen haben immer ihren Hintergrund. Wenn es keinen erklärbaren Hintergrund gibt, sind Hautveränderungen oft ein Warnzeichen – sei es aufgrund von falscher Pflege oder krankheitsbedingten Veränderungen. Daher solltest du sie immer ernst nehmen und sie bei Bedarf abklären lassen.
CULUMNATURA: Was rätst du Eltern im Umgang mit Gneis oder Milchschorf – behandeln, abwarten oder gar entfernen?
Martina Hanika: Der Gneis kann unbehandelt bleiben und verschwindet im Normalfall im ersten Lebensjahr wieder. Beim Milchschorf hingegen gilt es, Ruhe zu bewahren und abzuwarten, ob betroffene Hautstellen gerötet sind und nässen. Solange das Kind weder vermehrt kratzt noch unruhig ist, gibt es keinen Handlungsbedarf.
CULUMNATURA: Welche natürlichen Pflegeprodukte oder Hausmittel empfiehlst du in der Hebammenpraxis, wenn Eltern trotzdem das Bedürfnis haben, ihrem Baby zu helfen? Und worauf sollte besser verzichtet werden?
Martina Hanika: In meiner Praxis gilt immer: „weniger ist mehr“! Den Kopfgneis kannst du sanft mit einem sogenannten „Ölhäubchen“ unterstützen. Dazu benötigst du ein hochwertiges Öl, wie z. B. Oliven- oder Mandelöl. Das Köpfchen wird damit sanft einmassiert, danach setzt du deinem Baby für ca. 30 Minuten ein Häubchen auf oder lässt es über Nacht einwirken. Danach können sich die Schuppen, idealerweise beim Babybad, lösen. Beim Milchschorf solltest du Schuppen keinesfalls entfernen, da es zu Entzündungen kommen kann. Du kannst zudem versuchen, die Fingernägel des Babys kurz zu halten, um das Kratzen zu vermeiden und die betroffenen Hautareale zu kühlen. Verzichten sollst du auf chemisch hergestellte Mittel, die den schnellen Erfolg versprechen. Aus der Praxis weiß ich, dass nicht das aggressive Mittel, sondern die Geduld und Regelmäßigkeit zum Ziel führen.
CULUMNATURA: Viele Eltern sorgen sich, wenn sich der Zustand der Kopfhaut auffällig verändert – was sagst du ihnen, um sie zu beruhigen?
Martina Hanika: Ich versuche immer, sie zu beruhigen und zu informieren, warum es so ist. Oft reicht es, den Eltern zu erklären, dass bestimmte Veränderungen oder Vorgänge normal sind und dass viele Neugeborene davon betroffen sind. Ich erkläre mit viel Ruhe und Erfahrung, welche Veränderungen ihr Baby gerade durchmacht und wie sie vorgehen können, um ihrem Kind sanft und schonend zu helfen. Beruhigend für Eltern ist auch der Austausch mit anderen Familien, z. B. in Still- und Krabbelgruppen.
CULUMNATURA: Gibt es Warnzeichen, bei denen Eltern doch einen Kinderarzt oder eine Fachperson aufsuchen sollten?
Martina Hanika: Wenn Hautveränderungen mit starkem Juckreiz und Unruhe einhergehen, Hautstellen sich entzünden und nässen, somit dem Kind Probleme bereiten, und Hausmittel nur bedingt helfen, schicke ich Eltern mit ihrem Kind zur Abklärung zum Kinderarzt. Das gilt für Gneis, Schorf, jedoch auch für alle anderen Hautveränderungen.
CULUMNATURA: Wie siehst du die Rolle von NATURreiner Pflege – etwa mit Ölen oder Kräutern – gerade im empfindlichen Babyalter?
Martina Hanika: Generell gilt, dass für die Pflege der Babyhaut Wasser und Muttermilch ausreichen. Hat dein Neugeborenes Probleme, kannst du die Pflege mit milden Produkten, die ausschließlich Inhaltsstoffe aus der NATUR beinhalten, unterstützen.
CULUMNATURA: Wie wichtig ist dabei das tägliche Ritual, etwa sanftes Bürsten oder Massieren?
Martina Hanika: Die tägliche Routine ist immer wichtig. Das betrifft die Behandlung von Kopfgneis sowie alle Tätigkeiten, die Hektik und Unruhe im Alltag erzeugen können. Wichtig ist, dass solche Rituale immer mit Ruhe passieren. Du darfst dir dafür Zeit nehmen und sie so einplanen, dass kein Stress für dich und dein Kind entsteht. Meist eignen sich die Morgen- oder Abendstunden gut dafür.
CULUMNATURA: Welche Rolle spielt das elterliche Vertrauen in die eigene Intuition im Umgang mit der Haut- und Kopfhautpflege bei Babys?
Martina Hanika: Das spielt eine große Rolle und darf bei den Eltern im Gespräch und in der Aufklärung unbedingt gestärkt werden. Meist kennen die Eltern die Lösung des Problems schon, zweifeln jedoch an ihrem Instinkt. Im gemeinsamen Gespräch finden wir immer eine gute Lösung.
Kontakt:
Dipl. Hebamme
Martina Hanika
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