„Wir gemeinsam“ – gelebte Soziokratie bei CULUMNATURA

Sechs Hände fassen sich im Kreis und symbolisieren so ein Miteinander

VON CHRISTIAN RÜTHER

Seit 2019 führt der NATURkosmetikhersteller aus dem Weinviertel schrittweise die Soziokratie im Unternehmen ein und ich darf CULUMNATURA dabei begleiten.

Doch was bedeutet Soziokratie und welche Vorteile bringt es für ein Unternehmen?

Ein schreckliches Wort, das eher nach einer Melange aus Sozialismus und Bürokratie schmeckt. Das ist es jedoch ganz und gar nicht! Das Wort Soziokratie setzt sich aus den beiden Wörtern „Socius“ und „Kratein“ zusammen. „Socius“ bedeutet der (Weg-)Gefährte, der Bundesgenosse und „Kratein“ heißt Kraft, Macht, Herrschaft.
Soziokratie ist ein Organisationsmodell, um die Kraft der Gemeinschaft, der Wegbegleiter:innen, der Verbündeten zu nutzen. Modern gesprochen: Weg von der Hierarchie, hin zu Selbstorganisation und Mitbestimmung.

Wie können Mit-Arbeiter:innen zu Mit-Unternehmer:innen werden?

Zentrale Elemente in der Soziokratie sind unter anderem die Kreisorganisation und der KonsenT. Bei CULUMNATURA gibt es z. B. einen Leitungskreis, der aus den beiden Geschäftsführern sowie sieben Delegierten aus verschiedenen Teams besteht. Diese Delegierten wurden in einer offenen Wahl direkt von den jeweiligen Teams in den Leitungskreis gewählt.

Dieser Leitungskreis findet sich ca. alle sechs Wochen zusammen und trifft  wesentliche Grundsatzentscheidungen für das gesamte Unternehmen im KonsenT. Das bedeutet also, nicht die Geschäftsführung allein entscheiden, sondern jede:r hat gleiches Stimmrecht. Jede:r Teilnehmende gibt für eine Entscheidung ihre:seine Meinung und ihr:sein Okay bzw. ihren:seinen Einwand mit Begründung ab.

Sobald ein Kreismitglied glaubt, dass diese Entscheidung dem Unternehmen schadet oder es vom gemeinsamen Ziel abbringt, dann kann es mittels schwerwiegendem Einwand die Entscheidung vorerst stoppen: STOPP, so geht es nicht!

Dabei ist es kein Veto, sondern nur ein Innehalten und vertieftes Nachdenken, wie die Argumente hinter dem Stopp integriert werden können. Das dauert dann etwas länger, führt jedoch zu einer Entscheidung, die von allen mitgetragen werden kann. Und die letztendlich dem Unternehmen besser dient.

Wichtig bei allen Entscheidungen ist es, immer das Unternehmensziel bzw. die Vision im Auge zu behalten. Bei CULUMNATURA lautet die Vision: „Wir verbinden Schönheit mit Natürlichkeit – schützen dabei alle Lebewesen und Mutter Erde“. Soziokraten sind Weltverbesserer und versuchen, solche Visionen mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit zu realisieren.

Einige wesentliche Entscheidungen im Leitungskreis waren bisher:

  • Die Installation eines Krisenteams, das in der Coronazeit schnell auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren konnte
  • Erstellung von „Spielregel“, so dass 2 – 3 Teams untereinander ihre Zusammenarbeit ohne Leitungskreis gestalten können
  • Das Gründen eines Projektkreis für die mögliche räumliche Erweiterung von CULUMNATURA
  • Die Etablierung eines Produktmanagement- und Qualitätsteams rund um Willi Luger

Darüber hinaus werden alle wichtigen Infos zwischen den Teams ausgetauscht, gemeinsam auf das Jahr zurückgeblickt und Ziele für das neue Jahr gesteckt.

Die Vorteile einer soziokratischen Führung liegen auf der Hand:

Die Vision des Unternehmens bleibt immer im Zentrum der gemeinsam getroffenen Beschlüsse. Es geht darum, die Weisheit der Gruppe zu nutzen, zu fördern und die Teams in wichtige Entscheidungen einzubinden. Die Soziokratie sorgt für ein Miteinander auf Augenhöhe und pragmatische Lösungen. Die Teams agieren selbstverantwortlich in ihren Bereichen und übernehmen dafür auch die Verantwortung. Die Eigenmotivation der Teamkolleg:innen wird gesteigert. Jede:r weiß, dass er zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann.

Die Transformation eines Unternehmens hin zur Soziokratie braucht Zeit und Geduld. Wir wachsen in „hierarchischen“ Kontexten auf und es fällt den Teams nicht immer leicht, die eigenen Belange auch offen anzusprechen und den Führungskräften nicht immer leicht, Macht und Verantwortung an das Team abzugeben. Es ist ein gegenseitiger Lernprozess.

Eines der Schlüsselerlebnisse für mich als Begleiter war, als bei einer relativ kleinen Entscheidung vier Delegierte gegen den Vorschlag eines Geschäftsführers einen schwerwiegenden Einwand gebracht hatten. Das war eine emotional herausfordernde Situation und wir haben die Einwände integrieren können. Für mich ist es ein Entwicklungsschritt, wenn die Delegierten öffentlich der Geschäftsführung widersprechen und auch eigene Themen einbringen. Das sind erste gelebte Zeichen von Augenhöhe.

Astrid und Willi als Geschäftsführung gehen den Weg achtsam und Schritt-für-Schritt, trotz schwieriger Rahmenbedingungen (Corona und so). Sie stehen hinter diesem Ansatz und ich freu mich, dass ich CULUMNATURA dabei begleiten darf. Manchmal könnte es aus meiner Perspektive schneller gehen, aber auch Wurzeln brauchen Zeit zum Verankern.

 

Christian Rüther

Soziokratie-Berater, sozialer Architekt

Kommunikationstrainer (GFK)
Lebens- und Sozialberater (Coach, persönlicher Begleiter)

 

Weiterführende Links:

soziokratie.org
soziokratiezentrum.org